Das hat nichts zu bedeuten – Kann Cloudrap die heteronormativen Strukturen innerhalb des deutschsprachigen Hip Hop aufbrechen?

5. Dezember 2016 - 2016 / Allgemein / Maskulin*identität_en / tontext

„Was geht mit euch? Alle MCs sind schwul in Deutschland“((Kool Savas: Schwule Rapper, unter: https://www.youtube.com/watch?v=ZbL2afWJqmI, 00:23 – 00:28.))

Kool Savas, der Pimplegionär, der King Of Rap, erfand zwar weder den Konkurrenzgedanken noch die Homophobie im Hip Hop, importierte jedoch beides 1999 mit seiner Debüt-Solo-Single nach ersten Erfolgen als Teil des Duos Westberlin Maskulin und der Crew M.O.R. wirkungsmächtig in die deutsche Rapszene, deren öffentliches Bild bis dahin hauptsächlich von spaßigem Mittelschichtsrap im Stile von Fettes Brot oder den Fantastischen Vier geprägt wurde. Schwule Rapper und die passende A-Seite L.M.S., kurz für ‚Lutsch Mein Schwanz‘, inszenierten Savas als Rap-technisch wie sexuell potentes Alphamännchen, das entlang klassischer, heteronormativer Strukturen die Regeln des Genres mit erigiertem Penis in Stein meißelte.

Seitdem sind einige Jahre ins Land gezogen, Hip Hop dieser Prägung ging den Weg aus dem Untergrund in den Mainstream und nahm dafür eine Kommerzialisierung in Kauf, die auch die Akzeptanz eines gewissen Grades an politischer Korrektheit voraussetzte. K.I.Z. charakterisierten diese Entwicklung 2015 sehr treffend innerhalb ihres Songs Geld: „Dass ich Schwuchteln hasse hab ich früher gerne gesagt/Heute nicht mehr/Denn sonst platzt der Werbevertrag“((K.I.Z.: Geld, auf: ebd.: Hurra die Welt geht unter, Vertigo 2015, Track 3, 02:50 – 02:55.)). Frauenfeindlichkeit und Homophobie sind als Garanten für eine gelungene Inszenierung der eigenen Männlichkeit in den Hintergrund getreten, ohne dass sich das System dabei einer Änderung unterzog. So veröffentlichte Kool Savas 2011 eine Neuauflage des Klassikers L.M.S.; dieses Mal steht das Akronym jedoch für ‚Last Man Standing‘ und Xavier Naidoo singt dazu. Nur eine Sache hat sich nicht geändert: Kool Savas ist nach wie vor erigiert und definiert seine Stärke als Rapper vor allem über den eigenen Körper.

Ich habe dich geliebt, doch nicht wie ein Schwuler einen anderen Mann/Sondern wie ein Bruder, der für seinen Bruder tut, was er kann.“ Kool Savas, 2005

So scheint es absolut folgerichtig, dass anlässlich des ersten wirklich groß inszenierten Disstracks der deutschen Hip Hop Geschichte der Gegner nicht nur lyrisch, sondern auch physisch beerdigt werden musste. Der 2005 veröffentliche Song Das Urteil war Kool Savas‘ Abrechnung mit seinem ehemaligen Protegé Eko Fresh, das zugehörige Video setzte MTV auf Dauerschleife und machte das Gesamtprodukt damit zu einer Ikone seines Genres, das in den vergangenen Jahren vitaler, jedoch auch absurder denn je scheint. In Sachen Länge und Brachialität des Dargestellten wie Ausgesprochenen setzten aktuelle Beefs, etwa zwischen Bushido und Kay One, neue Standards, ohne den von Savas eröffneten Rahmen zu verlassen. Jüngstes und besonders drastisches Beispiel dieser Entwicklung ist Kollegahs Fanpost 2, der innerhalb von 18 Minuten gegen seinen lyrischen Kontrahenten Fler rappt, um ihn gegen Ende des zugehörigen Videos brutal zu ermorden und im Anschluss eine Ankündigung seines neuen Studioalbums namens Imperator einzublenden.((Interessant ist dieser Umstand gerade mit Blick auf Kollegahs Vorwurf, Fler habe es nötig, ihn für Promo zu dissen.)) Inhaltlich arbeitet sich Kollegah nicht nur an biographischen Stationen seines Gegenübers ab, sondern spielt mehrmals auf ein Gerücht an, demzufolge Fler Anfang der 2000er Jahre von konkurrierenden Sprayern mit einer Karotte anal vergewaltigt wurde. Gespickt wird diese Erzählung mit Kommentaren wie Folgendem: „Hier wird abgerechnet und dann wird es ganz schön hässlich/Wie die Hamsterbäckchen in deiner verfickten Punkbitchfresse/In die ich mein‘ Schwanz reinpresse/Nenn das ’schwul‘, doch so ’ne angstzerfressene Bitch ist für mich kein Mann, du Memme“((Kollegah: Fanpost 2, unter: https://vimeo.com/181220356, 02:10 – 02:18.))

Kollegah praktiziert hier Homophobie und Erniedrigung über Geschlechtsverkehr in Reinform, zudem mit einem bemerkenswerten Bewusstsein gegenüber der Tatsache, dass selbst das Gegenüber erniedrigender Sex als homosexuelle Handlung angesehen werden könnte und als solche einer heterosexuellen Umdeutung bedarf. Fler wird also zur Frau ‚degradiert‘ und damit die klassische, über Penetration gewährleistete heterosexuell-männliche Dominanz des Protagonisten gesichert. Insgesamt ist der Track eine Kulmination des hypermaskulinen Images, das Kollegah sich über Jahre hinweg zunächst musikalisch mithilfe bombastischer Synthesizer Beats und ausgefeilter Technik erarbeitete, dann durch Darstellung seines trainierten Körpers in Form zahlreicher Youtube-Videos auch optisch in Szene setzte und schließlich mit der Bosstransformation, seinem käuflichen Fitnessprogramm, in die Realität exportierte. Damit führte Kollegah Hip Hop zu den Wurzeln zurück, aus denen der Wettbewerbsgedanke ursprünglich entstammt: Dem körperlichen Kräftemessen, der physischen Stärke als ultimativem Marker für Männlichkeit. Dass Homophobie innerhalb dieses Kontexts ein Revival erlebt, zeigt, dass es sich weniger um ein eigenständiges Problem, sondern vielmehr um ein Symptom handelt, eine sehr spezifische Artikulationsform einer Haltung, die von Rappern ständig performt wird.

In einem expandierenden Markt (nicht umsonst brüstet sich Kollegah in Fanpost 2 wiederholt mit finanziellen Erfolgen) schwingt nun natürlich stets die Frage mit, wann die Blase platzt, und vielleicht ist das vermehrte Auftauchen von Figuren wie Yung Hurn, LGoony, Young Krillin, aber eben auch Hayiti, Hunney Pimp und Juicy Gay tatsächlich ein Indiz dafür, dass der Peak des hypermaskulinen Hip Hop überschritten ist. Eben genannten Figuren ist gemeinsam, dass sie mit einer stereotypen Inszenierung von Geschlecht wenig gemein haben wollen, ohne dies so explizit zu artikulieren wie der queere Flügel des Zeckenrap rund um die Berlinerin Sookee. Wenig verwunderlich, dass mit Casper und Ahzumjot zwei zentrale Protagonisten des alternativen, emotionalen Hip Hop der frühen 2010er gerade Interesse an der Szene mit dem ominösen Namen Cloudrap zeigen, blieben die Vertreter dieser Alternative doch in klassischen Männlichkeitsvorstellungen verhaftet. Cloudrap hingegen löst dieses Regelwerk auf und drückt seine Bestrebungen in Sound, textlicher Gestaltung und vereinzelt auch in der Themenwahl aus.

Echte Männer stehen wieder auf/Nur die Feiglinge nicht.“ Casper, 2011

Journalist Sascha Ehlert ging in einem Porträt der Rapperin Hayiti so weit zu behaupten, mit der neuen Szene scheine gerade „eine HipHop Parallelgesellschaft [zu] entstehen, die sämtliche Stereotype ad acta legt und Musik feiert, die endlich mit überkommenen Vorstellungen von Sexualität und Geschlecht bricht“.((Ehlert, Sascha: Haiyti. Kapitel No. 1, in: Das Wetter #9, S. 11.)) Schlüssig ist das gerade mit Blick auf die thematische Vielfalt, die Cloudrap abruft und die es schwer macht, adäquat über das Genre an sich zu sprechen. Die Cloud liefert dabei nicht nur einen Hinweis auf einen ‚wolkigen‘ Klang der Beats und einen Hang zur Internet-Ästhetik, sondern ebenso auf die Themen und Ausgestaltungen der Musik: Einer Assoziationswolke gleich heften sich gewisse Attribute um einen Kern von Protagonisten herum an, ausgeschlossen wird dabei nichts. Alte Werte wie Technik oder Realness haben in dieser egalitären Stimmung keinen Platz mehr.

Und in eben diesem Ambiente taucht mit dem bereits erwähnten Juicy Gay nun eine Kunstfigur auf, die eine tatsächliche Homosexualität der Privatperson dahinter nicht nur stumm anerkennt, sondern sie offensiv thematisiert. Im Gegensatz zu einem Beispiel wie Kollegah wird Sex hier nicht (nur) als Akt der Demütigung bzw. Erhebung inszeniert, sondern ist mit genuinem Lustgewinn verbunden, der auch die Übernahme des passiven Parts nicht ausschließt. Also rappt Juicy Gay über die schmerzhaften Folgen von Analverkehr (Mein Anus Brennt), flirtet mit seinem Kollegen Young Krillin in sehr zärtlicher, R’n’B-beeinflusster Manier (Sus) und zitiert in einem Videoclip typische Cumshotsequenzen, jedoch als Rezipient des hier eingesetzten Platzhalters für Sperma (Wasserpistole). In ihrer Drastik erinnern diese Beispiele durchaus an die gewohnte Hip-Hop-Terminologie und -Ästhetik, funktionieren jedoch unter umgekehrten Vorzeichen, was grundsätzlich den Verdacht einer bloßen Parodie nahelegt.

Cloudrap lebt ohnehin von der Gratwanderung zwischen Ernst und Ironie, die keine eindeutige Unterscheidung zulässt. Kaum ein Vertreter verkörpert diesen scheinbaren Widerspruch wie Why SL Know Plug, the artist formerly known as Money Boy, ehemaliger Deutschrap-Klassenkasper (Dreh den Swag auf) und mittlerweile anerkannt als studierter Hip-Hop-Experte und Vorreiter der aktuellen Szene. Die allgemeine Rezeption schwankt heute jedoch, mit jedem Song, Interview oder Tweet, noch immer zwischen diesen beiden Polen, gerade vor dem Hintergrund des sonst um Real Talk bemühten Hip Hop, in dem sich Money Boy zu Beginn noch zu verorten hatte. Beinahe schlüssig scheint es, dass die Songs, die er und Juicy Gay gemeinsam aufgenommen haben, seine Solo-Arbeit noch diffuser erscheinen lassen. Nicht nur machte Money Boy in seinem 2015 erschienen Song Choices die Bewertungskala mit den beiden Extremen ‚cool‘ und ’schwul‘ wieder salonfähig, er bedient auch homophobe Klischees, wie die AIDS-Referenz auf dem Song Zeig mir deinen Butt nahelegt.

Bist du schwul? (Nope)/ Bist du cool? (Jop).“ Money Boy, 2015

Beinahe paradigmatisch also, dass Juicy Gay einen Song, der die verbotene Liebe zwischen ihm und Fler thematisiert, mit einem Zitat Money Boys eröffnet, in dem dieser sich kritisch bezüglich Juicy Gays Homosexualität und der Auswirkung auf seinen Rapstil äußert.((„Er ist ein guter Musiker und so, man muss ihn nur in niedrigen Dosen genießen, denn zu viel Homo-Rap kann man sich auch nicht gönnen pro Tag.“, zitiert nach: Juicy Gay: Gewissen Fler, unter: https://www.youtube.com/watch?v=iMmxigCrswE, 00:14 – 00:20.)) Derart gerahmt liegt eine ironische Lesart des Textes nahe, doch bis auf eine Referenz an den erwähnten Karotten-Vorfall gibt es keinen Marker, der auf eine Ironisierung des Dargestellten hinweist. Stattdessen scheinen die Zeichen hier variabel zu werden und in einem diffusen Kontext zu koexistieren, der potenziell offen für jegliche Form der Interpretation ist. Ähnlich verfährt Juicy Gay mit heteronormativen Figuren wie Manfred Horst (Deutscher Bär) oder Deso Dogg (Musik ist haram), deren Positionen er sich recht lückenlos aneignet und entsprechend lediglich in neuem Kontext erscheinen lässt: Über Trap Beats, mit zeitgemäßem, wenig aggressivem Flow und unordentlichen Photoshop-Collagen anstelle eines ordentlichen Youtube-Videos.

Endete Juicy Gays Horizont jedoch hier, bei der Aneignung tendenziell homophober, rassistischer oder radikal-islamistischer Positionen, die allesamt mehr oder weniger von einem Bild männlicher Dominanz leben oder zumindest stark damit verknüpft sind, bliebe seine Relevanz eingeschränkt und würde sich vermutlich in der Rolle erschöpfen, die ihm seitens der Medien (fälschlicherweise) derzeit zugeteilt wird: Die des ersten geouteten homosexuellen deutschen Rappers. Teile der Szene und der zugehörige Markt fordern einen solchen schon lange, spätestens seitdem sich die Debatte um Hip Hop, Homophobie und deren Überwindung im Februar 2015 an Bass Sultan Hengzts zunächst scherzhaft veröffentlichtem Artwork seines Albums Musik wegen Weibaz erneut entzündete.((Vgl. JPK: Schwule Rapper? Es wird Zeit, unter: http://rap.de/allgemein/69804-schwule-rapper-es-wird-zeit-kommentar/.)) Neben der erhofften Signalkraft eines solchen Outings spielen dabei vor allem marktwirtschaftliche Interessen eine Rolle, möchte ein auf die eigene Homosexualität reduzierter Rapper doch nicht notwendigerweise Geschlechterbilder hinterfragen, sondern funktioniert in seiner Eindimensionalität wunderbar als Markenzeichen mit vorprogrammierter, bisher unbefriedigter Zielgruppe. Und eben dieses fehlende Infragestellen der Kategorien relativiert die angenommene Signalkraft massiv; denn dass eine Szene mitnichten von einem offen homosexuellen Mitglied profitieren muss, solange sich die Strukturen nicht ändern, zeigte vor rund einer Dekade das Outing des ehemaligen Gorgoroth-Frontmanns Gaahl, welches innerhalb des Black Metal kein Umdenken in Gang setzte, gerade weil sich die Kunstfigur Gaahl in keiner Weise änderte. Wie gut sich derweil Homosexualität mit männerbündlerischen Tendenzen und Misanthropie verbinden lässt, zeigen ausgewählte Apocalyptic Folk Bands wie Death In June bereits seit den 1980er Jahren.((Vgl. Büsser, Martin: Lichtrasse und Wälsungsblut. Neurechte Tendenzen im „Apocalyptic Folk“, in: Testcard. Beiträge zur Popgeschichte #4, S. 83.)) Ein homosexueller Rapper könnte ebenso leicht zur flachen Symbolfigur werden wie zu einer belächelten Kuriosität; die Frage ist also nicht, ob Juicy Gay und mit ihm Cloudrap innerhalb des Hip Hop Spiels bisher antagonistisch wahrgenommene Positionen besetzen, sondern ob sie die Spielregeln verändern wollen.

Einen Hinweis auf letztere Deutungsweise liefert der Song Hip Hop stirbt für mich, der frei nach Slimes Parole „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ dazu prädestiniert scheint, den Tod des heteronormativen Hip Hop zu fordern, da sich Juicy Gays Existenz und die des Genres in seiner bisherigen Form per se ausschließen. Tatsächlich attackiert er innerhalb des Tracks jedoch lediglich einen Rapper, und zwar Curse, der als Vertreter einer eher an Emotionen interessierten Ausprägung von Hip Hop selten im Verdacht stand, ein Paradebeispiel für Homophobie zu sein. Doch Juicy Gay konkretisiert sein Ziel auf die zehn Rap-Gesetze, die Curse im Rahmen eines gleichnamigen Songs im Jahr 2000 aufstellte und sich wie eine Mischung aus Selbstüberhöhung und Realkeeper-Ethos lesen, also eben jener Melange, auf der eingangs skizzierter, klassischer Hip Hop aufbaut. Juicy Gay verwirft diesen Kodex, ohne an seine Stelle etwas Neues zu setzen, weil gerade die entstandene Lücke der Gegenvorschlag ist.

Nein/Nein/Nein/Nein/Nein/Nein/Und ich sag: ‚Nein’“ Yung Hurn 2016

Cloudrap mit all seinen Auswüchsen wie der trashigen Ästhetik des Videokünstlers Kurt Prödel, den entspannt-verspulten Beats eines Lex Lugner und der mittlerweile so freudig durch den Mainstream annektierten Lingo ist darauf ausgelegt, nicht verstanden zu werden und es gerade damit zu umgehen, so klare Bilder zu finden, wie sie Kool Savas oder Kollegah brauchen, um sich ein Profil zu verleihen. In einem Jahr, in dem Frank Ocean sich von dem Schwulen der Odd Future Crew, den die Rapgemeinde schnell in ihre Sprache aufnahm (‚No Frank Ocean‘ hieß es da, anstelle des nur leidlich besseren Ausspruchs ‚No Homo‘) zu einem schwer greifbaren Individuum entwickelte, der alles und nichts zugleich zu sein scheint. So wie die brüchigen Miniaturen auf Frank Oceans Blonde ständig vom Verschwinden bedroht scheinen, so funktioniert auch ein Cloudrapsong, als Abbild einer Lebenswirklichkeit, die nicht mehr mit definitiven, 18-minütigen, Zeugnis über eine Wahrheit ablegen wollenden Disstracks abbildbar ist. Das hat nichts zu bedeuten, ein Stück von Juicy Gay und Hayiti, ist das Motto dieser Bewegung geworden, die sich in einem wahnwitzigen Dauerfeuer aus Tweets, Mixtapes, Videos und Memes ständig neu erfindet und es damit nahezu unmöglich macht, irgendetwas festzuhalten bzw. irgendjemanden auf irgendetwas festzunageln.

Noch liegt also der romantische Dunst des anbrechenden Umbruchs über der Szenerie und gesteht Cloudrap einen Status zu, wie ihn vielleicht maximal Punk zur Zeit seiner Entstehung innehatte. Der Blick auf die Popgeschichte zeigt jedoch ebenso, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Labels Zugriff auf das Material dieser Künstler erhalten und nach Möglichkeiten suchen, die Pluralität in vermarktbare Konzepte zu übersetzen – ein Projekt, das zum Scheitern verurteilt ist. Das Schlaffe in der musikalischen Gestaltung des Cloudrap findet nicht umsonst derzeit eine Entsprechung darin, dass Verkäufe und in gewissem Maße sogar Klicks irgendwie egal sind, weil sich alle gleich weit unten befinden. Diese egalitäre Haltung in Vermarktung, Sound und Lyrics garantiert, dass es schier unmöglich ist, gängige Bilder von Männlichkeit aufrechtzuerhalten. An Relevanz eingebüßt haben diese ohnehin aufgrund der entfallenden Notwendigkeit einer Dichotomie zwischen maskuliner Stärke und homosexueller bzw. femininer Schwäche zur Inszenierung der eigenen Rap-Person innerhalb einer stark von Konkurrenz geprägten Szene. Das bedeutet keineswegs, dass im Cloudrap durchweg klassische Rollenbilder gemieden werden; sie sind jedoch nicht mehr zentraler Bestandteil der Konstitution des jeweiligen Rappers und zudem in einer von Pluralität geprägten Zeichenwelt austauschbar, nur eines von vielen Attributen, mit denen sich die jeweilige Kunstfigur schmücken kann, ohne daraus ein definitives Statement zu machen. Dass dieser Idealzustand temporär ist, steht außer Frage; ob und wie sich ein wenig der Offenheit aus dem Cloudrap in den Mainstream übertragen lässt, werden die kommenden Monate zeigen

Sebastian Berlich

› tags: Cloudrap / Heteronormativität / Hip-Hop / Homophobie / Homosexualität / Hypermaskulinität / Juicy Gay / Mann / Männer / Männlichkeit / Männlichkeiten / Maskulinität / Musik / Rap /

Comments

  1. […] Die Omnipräsenz der Thematik beweist, dass es in diesem Bereich noch großen Gesprächsbedarf gibt. Was wir mit Hilfe zahlreicher Gastautor_innen zusammengestellt haben, sollen keine universalen Antworten sein, sondern vielmehr Ideen, Konzepte und Anregungen. Die Suche nach Maskulin*identität_en bewegt sich dabei zwischen den verschiedensten kulturellen Feldern: Klaus Kerschensteiner fordert die Aufhebung von Verpackungsgestaltung, die sich an Geschlechterkonstruktionen orientiert. Mit der Manifestation dieser Geschlechterklischees – genauer: mit der medialen Konstruktion von Männlichkeitsbildern – beschäftigt sich Jürgen Gabel und wirft einen kritischen Blick auf die deutsche TV-Landschaft. Dass das, was dort vertreten wird, nicht von ungefähr kommt, wird ersichtlich, wenn Alix Michell dem Einzug des ‘neuen amerikanischen Mannes’ in frühe Popmagazine nachgeht. Das literarische Feld findet seinen Weg mit Jasmina Janoschka in diese Reihe, die sich mit schwuler, polnischer Literatur beschäftigen wird. Für eine musikalische Untermalung sorgt Sebastian Berlich, der untersucht, ob Hip Hop auch ohne Homophobie auskommt. […]

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