Über Uns


Sagt der Prolet zur Kultur: „Willst du mit mir gehen?

( ) Ja
( ) Nein
(X) Lass mal lieber nen Blog machen.”

Die Kultur und der Prolet. Ein ungleiches Paar, das verrät schon das grammatikalische Geschlecht. Was noch lange nicht heißt, dass es nicht zusammenpasst.
Der Beweis dafür sind wir.

 

Janine Esdar

Wenn sie sich nicht gerade in Zukunftsszenarien oder Tagträumen verliert, dann hat sie sich zur Abwechslung an diesen erschreckend faszinierenden Ort namens Realität verirrt. Was sie dort auch mal länger verweilen lässt? Na die anderen – Tagträumereien bieten schließlich super Erzählstoff für den nächsten Koch- und Vinoabend. Heimlich träumt sie davon, später in einem gemütlichen Cottage an der schottischen Küste zu wohnen. Ihre Liebe zum Meer wurde nämlich schon seit sie denken kann durch die alljährlichen Familienurlaube an der Nordsee genährt. Schon seit Jahren ihr eigentliches Lebensziel: endlich luzide träumen können (Lieblingsfilm: Inception). Ansonsten bewegt sie sich am liebsten auf der Metaebene. Gute Aussicht, aber das Tagesgeschehen wird so manchmal zum Nebenschauplatz – ihre überall verstreuten To-do Zettelchen legen Zeugnis davon ab. Und sie wartet bis heute darauf, mithilfe der Erzählebenen(-theorie) à la Genette in eines ihrer Lieblingsbücher abzutauchen. Irgendwer muss mal endgültig erklären, was da nun zwischen den Zeilen passiert.

 

Linda Göttner

Wie kann man seit Anbeginn seines Verstandes Sissi-Fan sein und gleichzeitig dekonstruktive Ästhetik postmoderner Romane lieben? Im besten Fall geht man wie Linda nach Wien und schaut sich dort mal an, wie das alles nebeneinander funktioniert. Immer mit dem Soundtrack einer anderen Welt im Ohr flaniert sie dort durch die Straßen und alles synthetisiert sich zu diesem großen Rauschen unserer Zeit. Manchmal ein bisschen anstrengend, manchmal auch sehr schön. Und so hört sie ‘Nightcall’ aus Drive, während sie in Leutnant Gustl-Manier durch die alten Gassen streift, oder stellt sich einen zyklischen Zeitverlauf à la Dark in der Hofburg vor. Und wer natürlich nie fehlen darf – Oasis. Wie gut ist es bitte, ein Buch mit Oasis-Titeln als Kapitelüberschriften zu schreiben?

 

Leonie Lieberam

Man muss keine Zynikerin sein, um zu mögen, wenn Menschen sterben – in Büchern, versteht sich. Trotz dieser dunklen Seite blickt Leonie optimistisch auf die Welt und findet Freude an den kleinen Dingen des Lebens: Sims spielen, aus dem Dachfenster schauen und dabei (Reclam-)hörbücher hören. In dem grauenhaft erdrückenden Wissen, dass sich Geschmäcker und Einstellungen ändern, konstatiert die selbsternannte Porno-Expertin, dass sie auf Animationsfilme und -serien, Ostrock und spanischen und katalanischen Indie steht. Mit einem leichten regionalen Zungenschlag, „is“ statt „ist“, der auch seit ihrem Umzug nach Norddeutschland (böse Blicke) nicht verschwunden ist, vertritt sie grausame und kontroverse Meinungen. Zum Beispiel, dass Münster zu Norddeutschland gehört und Fragesätze eine unerreichte Ästhetik besitzen. Und solche Gedankenauswüchse und sogenannte “Ansichten” möchte sie nun unter dem Deckmantel der Kulturreflexion in die Welt hinaus proleten?

 

Hannah Matuschek

Am sagenumwogenen Silvesterabend 2003 entzündete Hannahs pyromanisch veranlagte Mutter versehentlich die Strumpfhose ihrer Tochter. Unverletzt und viele Strumpfhosen und tiergesichtige Socken später *glüht* sie jetzt lieber für gute Literatur und spontane schlechte Wortspiele. Sie kann ihre Kindheit an den Erscheinungsjahren der Harry Potter Bücher rekonstruieren, wahrscheinlich hat sie sich auch deswegen der Anglistik verschrieben. Und überhaupt braucht es mehr internationale Literaturwissenschaft, man guckt doch schließlich auch nicht nur deutsche Filme. Apropos, schmalzige Historienfilme guckt sie manchmal einfach wegen der guten Kostüme. So ganz in der Vergangenheit leben kann man dann aber doch nicht. Wie wäre es also mit ein bisschen moderner Adaption?

 

Henning Podulski

Der einzige Heilige, an den Henning glaube, heißt Heinrich “Harry” Heine. Das einzige Kapital, dem er folgt, trägt stolz seinen Artikel vor der Brust. Viel Flanerie zwischen Politik und Poetik, als stünde er unter einem Strich. Und so ein Strich ist ja auch nur eine raumschaffende Grenze, im Vergleich zu den meisten Grenzen vielleicht sogar ausnahmsweise eine sinnvolle. Lass uns da mal drüber sprechen. Und wieso ist es eigentlich so wichtig, dass Milch stark macht? Und weshalb muss man(n) eigentlich stark sein? Und warum sind weit mehr als die Hälfte der Professuren an der WWU immer noch in (vermeintlich) männlicher Hand? Zum Kotzen. Und wie entfremdet muss sich Edward mit den Scherenhänden eigentlich fühlen? Uff. Henning hätte gerne mehr Resonanz und Zartheit, dafür weniger von diesen Leistungspunkten. Aber mit Joppiesauce und ruhig etwas von diesem leckeren Antifaschismus. Vielen Dank.

 

Timea Wanko

In Blümchenkleidern (Feminismus ja, Hosen nein) feiert Timea stets das Proletische der Kultur, denn jedes Scrunchie ihrer Scrunchie-Sammlung, jeder Sticker auf ihrem Kalender und jedes Bandposter an ihrer Wand ist Kultur – jawohl! Dabei ist aber ein leichter Fanatismus zur urbanen Gegenwartsliteratur und Indie(-Pop-)musik zu vermerken. Zu Beginn ihres Studiums wurde sie radikal musiksozialisiert (danke, Lina! („ich will dein Sushi gar nicht sehen”)), seitdem wächst ihre Plattensammlung proportional zu ihrer Liebe zu den Giant Rooks. Von gewissen allegro-pastelligen (Pseudo-?)„Hipster“-praxen wie dem Zelebrieren eines hell gerösteten, im Licht goldenen Filterkaffees und dem euphorisierenden Moment, in der goldenen Stunde mit analoger Kamera ihren boyfriend in „vorauseilender Wehmut” zu konservieren, kann sie sich nicht freisprechen. Außerdem liebt sie das Listenmachen der Popliteratur (für eigene Zwecke, weil sie schwer zum Punkt kommt): Call me by your name, Milchzähne, Alt-J, Schimmernder Dunst über CobyCounty, Druck, Normal People, 303, Bilderbuch.

 

Tim Preuß

Selten verbittert, manchmal wütend, viel öfter irritiert – zum Beispiel über die drei großen Post von Ideologie, Histoire und Moderne – bleibt Tim guter Dinge, denn dagegen kann man etwas tun: nachdenken, diskutieren, lesen und mitunter, irgendwann, darüber schreiben. Und wieder von vorn. Und immer gern grundlegend und theoretisch, weil ja das abstrakteste bekanntlich so abstrakt gar nicht ist, wenn man es nur vom Kopf auf die Füße stellt, schon klar. Schwerter also nicht zu Pflugscharen, sondern zum Werkzeug für ein anderes chronisch krisengeplagtes Feld: Schwerter zu Füllfederhaltern, und bestenfalls die Provenienz nie vergessen, wenn man an den langen Sätzen laboriert, die allein dem langen Gedanken taugen. Nur mit Konzeptschlagworten dreschen giltet leider nicht.

Da tut sich natürlich ein breites Sammelsurium auf. Aber keine Angst: Entscheiden muss sich hier niemand! Wir tun’s auch nicht. Nicht zwischen tiergesichtigen Socken und glitzernden Scrunchies, nicht zwischen Ostrock und katalanischem Indie und schon gar nicht zwischen Heinrich Heine und Harry Potter. Denn der Prolet, der kann alles. Er ist Arbeiter, ist Schaffender, wie wir alle. Wir kreieren, wir formen ein Netz, das sich über Politik bis hin zur Kunst entspannt – kurz: Kultur. In diesem Netz ist der Sprung von einem Teil des vermeintlich ungleichen Paares zum anderen gar nicht mehr weit und der Blog wird Bühne für Kultur und Prolet. Hier sollen die beiden zusammenkommen, um die Dinge beim Namen zu nennen, anstatt sie sphärisch zu umschippern. Mit der Kultur und dem Proleten wollen wir hinpacken, hinsehen. Denn wir finden tatsächlich, die beiden passen ziemlich gut zusammen. Nein, mehr noch – wir finden, sie sollten unbedingt gemeinsam stattfinden. Wenn das passiert, bieten sie sich mal feurige Schlagabtausche, mal stehen sie füreinander ein und machen sich gegenseitig stark. Denn wie das bei einem ungleichen Paar eben so ist: Was sich liebt, das neckt sich.


Diese in Worte gefasste Liebe in Blogform entfachten übrigens die Gründer*innen Kilian, Theresa, Jürgen, Alix und Jasmina – mehr über die fünf Kulturproleten-Pionier*innen und ihren Pocahontas-Messianismus, ihre Zwiebelliebe und Emovergangenheit hier.

 

©Photos by Kulturproleten

 

Comments

  1. Helge sagt:

    Jürgen ist super süß!

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