Get Out. Eine Horrorsatirenkritik-Satire.
28. Mai 2017 - 2017 / bildtext / soziotext
Seit dem 4.Mai ist Get Out in den Kinos zu sehen. Ein US-amerikanischer Film, der unter dem Paradigma des Rassismus Elemente der Komödie in die Story eines Horrorfilms packt. Eine Melange, die derzeit unter dem Begriff der Horrorsatire gehandelt wird – und das mit Erfolg: Der Film entpuppt sich schnell zum unerwarteten Kassenschlager.
Jordan Peele ist sowohl für das Drehbuch, als auch (erstmals) für die Regie verantwortlich. Als er Get Out im Rahmen der diesjährigen Sundance Film Festspiele vorstellt, erntet er Begeisterung und auch die Feuilletons und Filmportale können sich kaum noch halten.
„Eine außergewöhnliche Mischung,
die das Potenzial hat,
das Horror-Genre zu erneuern.“
[Kino.de]
Soweit so gut. Aber Horrorsatire?!
Ja, Satire! Doch ehe wieder einmal das Kino revolutioniert wird, gehen wir hier lieber nüchterner an die Sache und versuchen uns in Differenzierung. Ein Schritt nach dem anderen und wollen doch mal sehen, was der beste Freund der Germanist_innen dazu zu sagen weiß.
Satire, die
1. Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch Übertreibung, Ironie
und [beißenden] Spott an Personen, Ereignissen Kritik übt, sie der
Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt
2. künstlerisches Werk, das zur Gattung der Satire gehört [duden.de]
Vielen Dank, Duden, insbesondere auch für Definition Nr. 2. Wir bleiben bei Nr. 1 und wenden uns damit der Sache mit dem Horror zu. Horror ist klar. Ein junger Mann, eine junge Frau, sie weiß, er schwarz, beide relativ frisch zusammen und alles ist voller Schmetterlinge. Sie fahren über das Wochenende auf’s Land zu ihren vermeintlich aufgeklärten Eltern und was dann passiert, ja also, was dann passiert, das konnte nun wirklich niemand ahnen.
Zumindest niemand, der gegen die von der (wortwörtlich) ersten Szene an gestreuten bösen Omen immun ist, wie zum Beispiel Moviejones:
„Was zu Beginn als heile Welt dargestellt wird,
entpuppt sich mit jeder Szene als vorgetäuschte
Fassade, bei der nichts ist wie es scheint.“
[moviejones.de]
Und auch der oder die Filmchecker_in vom Blog der Filmchecker ist vom Horrormoviebinchewatching wohl schon ein wenig abgestumpft:
Regisseur JORDAN PEELE gibt nur wenig Anhaltspunkte und hält damit die Spannung konstant. Erst kurz vor der Zielgeraden wird des Rätsels Lösung gelüftet und das Finale – zur Freude Liebhaber härterer Hausmannskost – im Blut ersäuft.
[filmchecker.com]
Doch ob Zeichenleser_innen oder nicht,
dass der sg. Plottwist es in sich hat,
lässt sich nicht bestreiten.
„Wer Die Frauen von Stepford, Rosemaries Baby
oder Die Nacht der lebenden Toten gesehen hat –
alles Filme, die Jordan Peele als Einflüsse auf
sein Drehbuch zitiert – hat wahrscheinlich eine
gute Ahnung, in welche Richtung das Ganze dreht.“
[Zeit.de]
Denn:
„Der Film kreiert mit klassischen Elementen der
Horrorfilme der 50er und 60er, eben sehr
hitchcockesk, eine sehr dichte und leicht
paranoide Atmosphäre.“
[Die GLOZZA]
Auch wir haben uns den Film angesehen. So kommt unser Chefsemiot Kilian nach dem Abwägen aller Zeichen sowie unter Berücksichtigung der Filmstruktur zu einem – man darf sagen – ungewohnt knackigen Urteil:
„Er war ziemlich gut! Also vielleicht handwerklich eher mau,
ästhetisch jetzt auch eher okay, aber sehr gut erzählt.“
[Kilian Hauptmann]
Und Mina als Mediatorin der Proleten fasst gewohnt diplomatisch zusammen:
„Ich fühlte mich adäquat unterhalten für die Dauer des Films, war aber genervt
von den billigen Schockmomenten. Ernsthaft ist das alles was ihr habt?!
Spaß beiseite, mit der Verhandlung der (Rassismus)thematik und der originellen
Herangehensweise wird Get Out zu einem durchaus begrüßenswerten Beitrag
zur doch meist sehr homogenen Filmbranche/produktion.“
[Jasmina Janoschka]
Fassen wir zusammen: Erzählung und Spannungskurve, die für die Horrorkomponente des Films verantwortlich sind, funktionieren also durchaus. Auch finden wir es gut und wichtig, dass die Thematik des Rassismus überhaupt sichtbar gemacht wird.
Doch wird das Label der Satire dem Film nicht gerecht. So scheint es, als ruhe sich die humoristische Komponente des Films auf den Kalauern aus, die der beste Freund des Protagonisten von der Seitenlinie aus ins Geschehen streut. Kaum ist es der Rassismus, der hier „mit scharfem Witz“ gegeißelt wird. Vielmehr wird eine kranke Form des positiven Rassismus ad absurdum geführt, so sehr auf die Spitze getrieben, dass am Ende klar ist: Get Out ist mehr als ein Filmtitel. Es steht auch dafür, dass egal, was unternommen wird, doch niemand aus der eigenen Haut kann. Figuren innerhalb einer Filmdiegese ebenso wenig, wie solche aus Fleisch und Blut. Was dem Film gelingt, ist, seinem Publikum das identitätsstiftende Moment der äußeren Erscheinung um die Ohren zu hauen – mitsamt aller darin steckenden Brutalität und das trotz humoristischer Einstreuungen ganz und gar ernsthaft.
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