Denk mal schief – Saarländische Albernheiten und ein Penis-Cut-up

19. Dezember 2016 - 2016 / Allgemein / bildtext / firlefanz / Maskulin*identität_en

Titelfoto: © Kulturproleten

„Denk mal schief“ – ein Satz, der mich prompt fast 20 Jahre in die Vergangenheit befördert, zurück auf den Schulhof meiner saarländischen Grundschule. Die Banane von XY ist aber groß – „ha, ha, denk mal schief“. Drei Worte und jeder im Umkreis von 10 m fängt lauthals an zu lachen, zumindest in der Grundschule – und das offenbar auch nur im Saarland.

Diese Aussage aus Kindertagen, die wie keine andere das Potenzial hat, unschuldiges Obst in etwas Unanständiges zu verwandeln, schien mir wie gemacht für die Betitelung meines geplanten Penis-Cut-ups. Doch als ich meinen Freund_innen mit stolz geschwellter Brust von meinem Geniestreich – der grandiosen Artikelüberschrift – berichtete, schauten sie mich allesamt an, als hätte ich gesagt, ich wolle zu Trumps Friseur gehen – hochgradig irritiert und mit dem unverkennbaren Ausdruck, der sagt: „okaaay“, aber eigentlich meint: „what the fuck“.

Extrawurst gefällig?

Ihre Reaktion traf mich völlig unerwartet und ich versuchte, halb enttäuscht über die fehlende Begeisterung, halb verwirrt, weil es offenbar wirklich niemand kannte, die Fassung zu bewahren. So vertraut allen auch die Implikationen der Aussage „Denk mal schief“ war, so fremd schien ihnen die Wortfolge an sich zu sein. Daran konnten auch meine illustrativen Beispiele nichts ändern. Ich konnte und wollte die Sache damit nicht gut sein lassen und begann eine intensive Recherche, die leider kein Ergebnis zutage förderte.

Aus lauter Verzweiflung kramte ich den Untiefen meines Kulturwissenschaftlerinnen-Gehirns und erinnerte mich an etwas einst Verhasstes: die empirische Erhebungsmethode. Bei einer qualitativen Umfrage konfrontierte ich 18 Personen mit der Aussage „Denk mal schief“. 7 kannten sie, 11 kannten sie nicht. 7 der Teilnehmer_innen kamen aus dem Saarland, 11 nicht. Zahlen, die du selbst manipuliert hast, lügen nicht.

‚Schief denken‘ ist mit einem minimalen Maß an Kreativität und einem maximalen Maß an Albernheit verbunden und kennt (scheinbar) keine Grenzen. Als Beispiel dient eine Anekdote aus den Wirren des Kulturpoetik-Studiums (Literatur und irgendwas mit Medien): Ein Dozent versucht sich bei der grafischen Darstellung seiner Methode und malt mit wenigen Handgriffen ein kleines Schaubild an die Tafel: Eine kleine, runde Wölbung, gefolgt von einer größeren, spitzen Wölbung, gefolgt von einer kleinen, runden Wölbung.

Kurze Stille, leichtes Raunen und dann bricht ein halb verschämtes Gelächter im Raum aus, hervorgerufen durch rund 30 Studierende, die sich mit Frohsinn dem infantilen Humor hingeben. Die besagten Studierenden, die beim Anblick einer Zeichnung, die nur rudimentär an die Form eines Penis erinnert, in Gelächter ausbrechen, sind die gleichen, die mit voller Ernsthaftigkeit über Aussagen wie „Ich könnte Fotzen fressen wie Kartoffelsalat“ – entnommen aus Heinz Strunks Roman Der goldene Handschuh (2016) – sprechen oder sich ohne ein Schmunzeln durch die Pop-Literatur der 60er arbeiten, die voller Nippel, Sperma und Co. überquillt.

Das ‚Schief Denken‘ ist eine (saarländische) Kunstform, die von Implizitheit lebt, und sich durch explizite Darstellung verschrecken lässt. Durch ihre leichte Zugänglichkeit – banales Grundwissen über die menschliche Anatomie und den Geschlechtsakt – bietet sie ihren Benutzer_innen eine einfache Möglichkeit, um alltägliche Gespräche oder langweilige Magazine zu einem Quell der Heiterkeit werden zu lassen.

Ich habe die Methode genutzt, um das kostenlose Magazin einer bekannten Drogeriekette aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten – mit Erfolg. Obgleich die Zeitschrift nicht gerade für ihr Erotik-Potenzial bekannt ist, wurde ich mehr als fündig. Wenn man erst mal die Penis-Brille aufgesetzt hat, gibt es kein zurück mehr, dann sind sie überall.

Wo ein Wille ist, ist auch ein schlechter Penis-Witz!

© Kulturproleten

Mina Janoschka
Letzte Artikel von Mina Janoschka (Alle anzeigen)

› tags: Cut up / infantil / Männliches Geschlechtsorgan / Maskulin*identität_en / Maskulinität / Penis / Saarland /

Comments

  1. Daniel sagt:

    Als fast vollwertiger Saarländer kenne ich das natürlich auch, hab gerade erst am Wochenende auf einer Party erfahren, dass die drei Wörter in den 90er Jahren wohl auch auf dem Schulhof einer Grundschule in Koblenz ihr Unwesen getrieben haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.