So überzeugend wie Leggins und Schlabberpulli
5. August 2016 - 2016 / tontext
Spätestens als Drangsal zu Beginn des Jahres, mit seinem Musikvideokuss und Jenny Elvers zu dem Song Alan Align, durch alle medialen Kanäle sauste, hätte man meinen können: Sie alle hatten recht, Falko lebt! Spitzes Gesicht, geschniegelte Haare und große Gesten – die 80er sind zurück, endgültig und in persona. Aber nein, weißes Shirt statt Anzug, Tattoos statt äh, Anzug – es ist Drangsal! Tatsächlich wandelt der nicht nur optisch, sondern auch musikalisch in großen Spuren: Sein Sound lebt Simon Reynolds Retromania und klingt nach einer Mische aus allem, was an den 80ern gut war, nur das Dreckige, das sucht man vergeblich.
Das Produkt jedoch überzeugt derzeit ebenso wie Leggins und Schlabberpulli. Die Synthie-Sounds klingen so wie damals, als sie noch jung waren und unsere Eltern auch. Und wir gehen mit, denn Drangsals Musik wird geprägt von den Bands, von denen manch einer sich wünscht, seine Eltern hätten sie cool gefunden. Wenn Max Gruber, so heißt Drangsal, wenn er nicht Drangsal ist, von seinen Lieblingsmusikern spricht, klingt das ebenso plakativ wie die exemplarische Aufstellung meines Seminarplans diesen Sommer; es hieß: Neue Deutsche Welle vs. Deutschrock. Max liebt Palais Schaumburg, “Ideal, Neonbabys, DAF...alles!”, so erzählt es der Junge von nebenan, aus der Pfalz nämlich, frei von der Leber weg in einem der unzähligen Interviews, die er bereitwillig gibt. Sogar eine Homestory ist bereits zu erleben und dabei ist sein erstes Album erst in diesem Jahr erschienen. Dank meines Seminars weiß ich auch hier eine Tradition der 80er zu erkennen: Sich in populär-kommerziellen Medien als Popstar verkaufen, um einer zu werden – die Ärzte machten es als erste, man hätte es noch eine Persiflage nennen können. Nena ahmte es nach, schrieb sich dem Publikum als Popstar ein und dank BRAVO wurde die Taktik ein Hit. Mit BRAVO würde Max auch mal was machen – um “Geschmackspolizisten vorn Kopf zu stoßen.” Gegen die wettert er übrigens häufiger. Sein eigenes Ding zu machen, mit BRAVO oder BILD oder so, das hat für ihn wesentlich “mehr Punk” als beispielsweise das kleine Indie-Konzert. Wie wir damals wie heute sagen: Punk never dies! Und jetzt kommt er eben auch nicht.
Drangsal spielt nicht: Freitag, 5. August 2016 um 18:30.
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