Stimmen aus dem Scheiterhaufen

10. Mai 2016 - 2016 / Allgemein / soziotext / texttext

„Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie alleine machen“

– Kurt Tucholsky

Tucholskys Werke wurden zusammen mit denen von Marx, Freud, Remarque, Kästner, H. Mann und vielen anderen am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt. Im Folgenden wird versucht, Textfragmente der genannten Autoren mit Äußerungen heutiger Rechtspopulist_innen und besorgten Bürger_innen in Dialog zu bringen.

Können wir aus der Geschichte wirklich nichts lernen?

 

An der Sprache erkennt man das Regime.

Alles nicht neu, alles geliehen: Flüchtlingsfrage,

Attentat, Grenzen stärken, Mensch verjagen,

Rassenkunde heimatlos und reiche Heimat, reich ins Heim?

Export von:

Gas, Tanks, Maschinengewehren, Handgranaten, Minen.

Sterben am Port von:

Izmir, Agathonisi, Gibraltar, Europa

– Worte, Worte, aber sie umfassen das Grauen der Welt.

Erste Welt. Zweite Welt. Dritte Welt. Unbestellt;

Deutsche Frau, falscher Flüchtling, nordafrikanischer Ausbreitungstyp.

An den Grenzen soll geschossen werden.

Die erste Granate, die einschlägt, trifft in unser Herz

und euer Herz. Und manches Herz

schlägt in der Brust wieder rechter.

Volksverräter, Lügenpresse, Deutschland schafft sich ab und

wir sind das Volk.

Religion ist Opium des Volkes.

Lügenpresse!

Einer allein kann das gar nicht glauben.

Wir sind das Volk!

Und Frauke Petry?

Ein Wotansfurz.

Lügenpresse! Wir sind das Volk!

Deutschland, schaff dich ab.

Die Gegenwart kann man nicht genießen, ohne sie zu verstehen und nicht verstehen, ohne die Vergangenheit zu kennen. Pfeift den Besorgten was! Es darf und soll so nicht weitergehen. Wir haben alle, alle gesehen, wohin ein solcher Wahnsinn führt-

Wer keine Angst hat, hat keine Phantasie.

Dann stellen sie wieder den Schandpfahl hin

und weg mit den Werken von Çakir und Akin,

Alle in die Flammen gegeben,

und danach im Asylbewerberheim Feuer legen.

German Engineering, Lehrmeister aus Deutschland,

wo Häuser brennen, zünden sie bald auch den Mensch an.

Ratlos stehen die Feldgrauen da. Für wen das alles? Pro patria?

Für Deutschlands Kultur und Tradition,

und die eigene Machtposition.

Gegen Sicherheiten und Emanzipation,

gegen internationale Zusammenarbeit und Mindestlohn,

Und Vor Allem

gegen die Männer,

die unsere Frauen ficken und unsere Ziegen abschlachten

und ihre Frauen verschleiern und unsere Ziegen ficken.

(Obwohl ich hässliche Frauen weder ficken noch angucken will)

Und gegen den Döner.

Mut zur Wahrheit.

Das wäre kein Friede. Das wäre Wahn. Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.

Erfahrungen vererben sich nicht –jeder muß sie allein machen.

Alles nur Worte. Aber sie Erschaffen und Bekämpfen das Grauen der Welt.

 


Unsere Gastautorin Nina Kramer studiert Deutsch und Politikwissenschaften an der WWU in Münster. Sie hat ein Faible für Harry Potter und ist Teil eines exklusiven Lesezirkels. Mit ihrem Cut up beweist sie, wie spannend das Verhältnis von Literatur und Geschichte sein kann.

Die Redaktion sagt danke!

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› tags: Autoren / Besorgte Bürger_innen / Bücherverbrennung / Drittes Reich / Flüchtende / Lügenpresse / Ns-Regime / Politik / Scheiterhaufen / Waffenexporte /

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