Licht, Luft und Sonne für Münsters Hafen.
24. April 2016 - Allgemein / soziotext
Bis zum heutigen Tage zeigte das Münsteraner Kunstmuseum Pablo Picasso 146 Zeichnungen Charles-Édouard Jeanneret-Gris‘ – besser bekannt unter dem Pseudonym Le Corbusier. Seit Mitte Februar konnte hier ein Ausschnitt des graphischen Werks des Allroundtalents betrachtet werden. Das ist vornehmlich für seine bahnbrechende Rolle bekannt, die er in der modernen Architektur einnahm. Sein Konzept des Städtebaus ist von der Utopie eines gemeinschaftlichen Miteinanders mit Licht, Luft und Sonne1 geprägt, dass trotz einschränkender Großstadtbedingungen für jede_n2 lebenswert sein sollte. Die Grundlagen eines dahingehend zu gestaltenden Städtebaus erarbeitete Le Corbusier 1933 gemeinsam mit Städteplanern aus aller Welt und hielt sie in der Charta von Athen fest. Ein paar dieser Thesen sind hier mit Fragmenten verbaut worden, die der aktuellen Debatte um den Ausbau des Münsteraner Hafens entstammen.
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Die meisten der untersuchten Städte entsprechen in keiner Weise ihrer Bestimmung, die wichtigsten biologischen und psychologischen Bedürfnisse ihrer Bewohner zu befriedigen.
In Münster gibt es einen Mangel an bezahlbaren Wohnungen und gemeinsam gestalteten Räumen. Leerstehende Gebäude werden als Spekulationsobjekte genutzt.
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Der Gang der Ereignisse wird grundlegend beeinflusst durch politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren
Stattdessen werden Stadtteile durch Bau- und
Investitionsprojekte wie zum Beispiel am Bahn-
hof und am Hafen aufgewertet und da- durch
Menschen und ihre (Lebens-)räume verdrängt.
soll in den nächsten Jahren ein neues, attraktives Wohn- und
Dienstleistungsquartier entstehen.
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Die Stadt, als funktionale Einheit, wird sich nun in all ihren Teilen harmonisch entwickeln. Die freie Verfügung über Räume sichert ihre gleichmäßige Entfaltung
Ein Ort, der Möglichkeiten und Perspektiven für möglichst viele (alle*) bieten soll.
Prozesse der Stadtentwicklung und Stadtplanung sind immer das Ergebnis von Abwägungen und Kompromissen. Eine vollständige Berücksichtigung von Einzelinteressen ist damit nahezu immer ausgeschlossen.
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Die Stadt hat die Pflicht, auf geistigem wie materiellem Gebiet, die Freiheit der Persönlichkeit zu gewährleisten und das gemeinschaftliche Handeln zu fördern.
Fragen/Meldungen aus dem Publikum: Im Hafenforum bestand eine breite Ablehnung
gegenüber dem „Hafencenter“ – warum wird nicht mehr auf diese Meinungen eingegangen?
Antworten/Stellungnahmen: Die Erweiterungsabsichten der REWE-Märkte verdeutlichen, dass aus Sicht
der Handelsbetriebe noch Bedarfe bestehen und hier keine Sättigung besteht. In der Gesamtabwägung müssen
alle Belange betrachtet und ihre Vor- und Nachteile abgewogen werden.
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Der Zustand enthüllt die seit Beginn des Maschinenzeitalters unaufhörlich gewachsene Anhäufung privater Interessen
Fragen/Meldungen aus dem Publikum: Wer hat das entsprechende Einzelhandelsgutachten beauftragt, Stadt oder Investor?
Antworten/Stellungnahmen: Das Gutachten ist von den Investoren
in Abstimmung mit der Stadt beauftragt worden.
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Die Notwendigkeit, das Verfügungsrecht über den städtischen Grund gesetzlich so zu regeln, daß die Lebensbedürfnisse des Einzelnen mit den Ansprüchen der Gemeinschaft in Einklang gebracht werden.
Die Ergebnisse des Hafenforums haben zu dem politischen Beschluss geführt, die Verkaufsflächen
des „Hafencenters“ auf 4.900 qm zu reduzieren. Eine öffentliche Begehbarkeit der Kaiflächen
auf der Nord- und Südseite wird sichergestellt.
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Dieses Programm muß sich auf sorgfältige Analysen von Fachleuten gründen. Es bringt die natürlichen Vorzüge der Lage, die Bodengestaltung, die wirtschaftlichen Gegebenheiten, die gesellschaftlichen Notwendigkeiten und die geistigen Werte in einen fruchtbaren Gesamtzusammenhang.
Hier finden sich sowohl Ausschnitte aus online-Stellungnahmen des Independet Media Center (IMC) sowie aus dem Protokoll der Infoveranstaltung Masterplan Stadthäfen Münster / frühzeitige Bürgerbeteiligung Bauleitplanverfahren am 05.07.12.
Die Originaltexte waren einsehbar unter:
https://linksunten.indymedia.org/search/apachesolr_search/münster
Das Titelbild entstammt der Ausstrahlung der ZDF-Fernsehserie Wilsberg am 14.04.2016. In der Folge Mord und Beton begibt sich der Münsteraner Privatdetektiv im Streit um das Hafengebiet zwischen die Fronten und ermittelt gegen Korruption und Spekulation.
1“Ziel des Neuen Bauens war es, durch Rationalisierung und Typisierung, den Einsatz neuer Werkstoffe und Materialien sowie durch sachlich-schlichte Innenausstattungen eine völlig neue Form des Bauens zu entwickeln, bei der der Sozialverantwortung (viel Sonne, Luft und Licht gegen Mietskasernen, Hinterhöfe und beengte Räume) eine zentrale Bedeutung zukam.” In: Neues Bauen, Wikipedia. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Bauen [23.04.2016].
2Jede_n? Es sollte nicht verschwiegen werden, dass die Thesen Le Corbusiers zwar sozialen Charakter bergen, ihnen aber ein faschistischer Kern innewohnte. So war das schöne und bezahlbare Wohnen keineswegs für jede_n gedacht, sondern sollte „Heimstätte für eine gesunde Rasse“ werden, wie z.B. dem WELT-Artikel Le Corbusier war ein Faschist des rechten Winkels (9.5.2015) zu entnehmen ist. Der Artikel bezieht sich auf die Monografie Le Corbusier. Un faschisme français von Xavier de Jarcy, die im April letzten Jahres erschien.
URL: http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article141096303/Le-Corbusier-war-der-Faschist-des-rechten-Winkels.html [17.04.2016].
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